Erainn in den ersten Jahren

Die nachfolgenden geschichtlichen Ereignisse zu Erainn in den ersten Jahren nach der Finsternis bis zum Jahr 21 ndF habe ich vor vielen Jahren niedergeschrieben. Veröffentlicht habe ich sie im »Schlangenschriften-Sonderdruck 19G«, datiert auf den 3. Dezember 1989. Ich hatte mich damals um die Grünen Schlangen gekümmert, leider blieb die Resonanz damals bei … mir wird schummerig, aber es regte sich niemand. Und weil sich privat und beruflich bei mir einiges veränderte, schmiss ich hin. Meine Erinnerungen an die ganzen Umstände, die damals zum Abwandern der Grünen Schlangen aus Magira nach Emhain Abhlach führten, sind diffus-neblig, also eher verschwommen-weggewaschen, vielleicht sogar höchst ungenau und mehr als ungefähr.

Seamhainn (Dieter Passchier) von den Grauen Schlangen, zu dem ich einige Jahre regen und sehr lieben Kontakt hatte, schrieb mir damals dazu: »Die Aufarbeitung der Jahre nach der Finsternis finde ich sehr nett. Allerdings halte ich den Ton für etwas salopp, und einige neudeutsche Redewendungen finde ich auch etwas unglücklich, aber das ist nun mal Grünschlangensache … Etwas heroischer wäre es aber schon netter.« Und: »Daß Du Cuanscadan so radikal ausgetilgt hast, hat mir fast das Herz gebrochen. Aber vielleicht muß das so sein.«

Ich antwortete ihm damals, dass es so sein musste (auch, dass es nicht heroisch klang). Aus der Ferne – mehr als 30 Jahre sind vergangen – kann ich das nicht mehr beurteilen, doch bin ich niemand, der seine vergangenen Taten im Nachhinein lieber nicht geschehen sähe. Was passiert ist, ist passiert.

Den Text von damals habe ich konvertiert, aber inhaltlich nicht verändert; einzig ein paar Korrekturen (neue Rechtschreibung) und wenige, in eckige Klammern gesetzte Anmerkungen habe ich angefügt. Vielleicht hilft der Text einigen nachzuvollziehen, wie rigoros damals die Grünen Schlangen die Alte Welt verließen. (Es können sich noch Übertragungsfehler im Text finden, aber ich suche derzeit nicht weit danach.) Die beiden Illustrationen stammen von Lutz Buchholz.

 


Die Geschichte Erainns nach der Finsternis (bis 21 ndF)

1 nach der Finsternis

Der Wall des Vergessens um die Alte Welt Magiras bricht. Am 7. Wolf landet die fliegende Flotte von Emhain Abhlach unter der Führung von Muirchertach und Tailtiu an den Hängen des Corran, um zu erkunden, was aus den mit Beginn der Finsternis verschollenen Coraniaid geworden ist. Nach Klärung der Lage entschließen sich etwa zehntausend Coraniaid, in der Alten Welt zu bleiben und sich des geistig und vom Blut her verwandten Volkes der Schlange anzunehmen.

Am 6. Falke öffnet Areinnall als erste Stadt den Coraniaid die Tore, und Muirchertach Iäßt sich zum Hochkönig ausrufen. Bis zum 1. Bär erkennen die Fürsten im Wes und Ydd die Oberherrschaft des Ard-rí an, während sich im Nor und Est seine Gegner um Manawyddan von Indairné scharen, um dieser Bedrohung ihrer Unabhängigkeit mit der Waffe entgegenzutreten.

Am 14. Bär nehmen Muirchertach, Tailtiu und weitere Coraniaid an der Feier zu Ehren Nathirs in Teámhair teil und werden von den Weisen Frauen als wahre Kinder der Schlange anerkannt. Tailtiu wird der Rang einer Tochter der Schlange und der Titel der Arbhan [erainnischer Titel: Hohe Frau], der unumschränkten geistigen Führerin des Volkes der Schlange, verliehen.

Am 8. Einhorn stehen sich die Heerscharen Muirchertachs und Manawyddans auf der Ebene der Zwei Nebel gegenüber. Bevor es jedoch zur Schlacht kommt, schicken die Schatten der Nacht unverhofft ihre Horden gegen die Krieger der Schlange in einem letzten verzweifelten Versuch, ihre Macht über große Teile Erainns zu retten. Mit dem Ende der Finsternis aber sind Kreaturen des Dunkels keine ernsthaften Gegner mehr für die vereinten Kräfte des Volkes der Schlange, und sie werden in alle Winde zerstreut. Nach der Seite an Seite bestrittenen Schlacht huldigen alle überlebenden Fürsten von Erainn Muirchertach als ihrem verdienten Hochkönig.

Im Kentaurenmond bricht mit dem Verschwinden des heiligen Himmelsteins aus der Pyramide von Quihpuc Chaos im Land der Huachahatschis aus – nicht ohne Zutun der Töchter der Schlange. Man macht jedoch das verhasste Brudervolk der Huas verantwortlich, und der Cuauhtli-Ahau weiß inneren Wirren nicht anders Herr zuwerden, als am 2. Greif die Oberhoheit des erainnischen Hochkönigs anzuerkennen und sich an den Vorbereitungen des gemeinsamen Feldzugs von Erainn und Albion gegen Huanaca zu beteiligen.

Am 1. Tarantel bricht die erainnische Flotte von Cuanscadan aus auf, um so einem Angriff der Huas auf Südageniron zuvorzukommen Gemeinsam mit der Bärenflotte landet man auf Huanaca. Bis zum Löwenmond werden reiche [gemeint ist vermutlich »weite«] Teile der Insel besetzt, wobei das Jaguarvolk unter seinen Kriegern tragisch hohe Veriuste zu beklagen hat. Bis zum Ende des 1. Jahres ndF bauen die Angreifer ihre strategisch wichtigen Position aus, ansonsten bleibt alles überraschend ruhig und bereitet sich offensichtlich auf die Jahreswende vor.

 

2 nach der Finsternis

Das neue Jahr beginnt mit schwerem Wetter, Hagelstürme erschweren nicht nur das Vorankommen in diesem klimatisch ungewohnten Land, sondern wüten gleich noch unter Kriegern und Geräten. Das jedoch spornt Schlangen und Bären in unvergleichlicher Weise an, und sie berennen die wichtige Passstadt des Jaguars. Umsonst, denn weder rohe Gewalt noch die Zauber des Bärenmagiers oder Tailtiu, die selbst den Weg nach Huanaca fand, richten etwas gegen die massiven Tore aus.

Es bahnt sich noch Schlimmeres an: Auf vor der Blumenküste ankernde spärlich besetzte Bärenschiffe materialisieren auf magische Weise Jaguarkämpen. Aber das Blatt wendet sich zum Guten, verborgene Bärenkrieger tauchen auf und entern die eigenen Schiffe. Und der Jaguarzauberer schwebt mannverlassen über dem Wasser! Ein kurzes »Plop!«, Tailtiu hat etwas Magisches losgelassen, und der Hua-Zauberer nimmt ein tragisches Ende. Der Bemitleidenswerte fällt mehreren blutriechenden Raubrobben zum Opfer, von denen man bislang nur gerüchteweise hörte, dass sie auf Huanaca eine neue Heimstatt gefunden haben sollen. Seit dieser Zeit heißt der Streifen Land »Küste des toten Schamanen«.

Die folgenden Monde sehen die glücklicher agierenden Angreifer weiter in das Land der Huas vordringen, bis letztlich auch die Pyramide in die Hände der Befreier fällt. Die Bevölkerung Huanacas lobpreist die edlen neuen Herren und übergibt ihnen fröhlichen Gemüts reiche Geschenke, die alsbald nach Erainn verschifft werden.

Die nunmehr folgenden Jahre sehen Erainn aufstrebend, aber durch innere Zwistigkeiten in Unruhe versetzt. Nicht nur, dass auf Huanaca eine Gruppe Aufständischer untergrundweise gegen die dort ansässig gewordenen Erainner und Bären vorgehen und, da keine effektiven Gegenmaßnahmen getroffen werden, zu einem steten Quell der Unzufriedenheit werden, auch in Erainn selbst machen der »Dunkle Zirkel« sowie die »Freien Fischer Cuanscadans« von sich reden. Während erstere massiv gegen den Hochkönig Muirchertach intrigieren, schippern letztere rund um Magira, wobei sie starke Unlustgefühle bei den von ihnen besuchten Völkern hervorrufen. Warum, zeigt sich bei ihrer Rückkehr nach Cuanscadan nach zweijähriger Reise: Die Schiffe sind randvoll mit den kostbarsten Klein- und Großodien aller bekannten Länder gefüllt.

Muirchertach sieht seine Position zunehmend geschwächt, zudem auch wieder die alten Widersacher aus den ersten Tagen nach dem Ende der Finsternis Animositäten verspüren. Es kommt erstmalig nach der Schlacht auf Magh da Cheo wieder zu einem gemeinsamen Treffen aller Edlen des Volkes der Schlange in Areinnall, in dessen turbulentem Verlauf Muirchertach zurücktritt als Hochkönig, aber weiterhin Sitz und Stimme im gewählten Rat des Volkes der Schlange – dem Daíl – behält. Man trennt sich in Zwietracht, denn nicht einstimmig war dieser Beschluss. Das Volk der Schlange wird seit dieser Zeit vom Dáil regiert, der wiederum aus seinen Reihen den Reachtair Cuideacht (Verwalter des Inneren), den Reachtair Allurach (Verwalter des Äußeren) und den Reachtair Buion (Verwalter der Heere) bestimmt.

Bis zum Jahre 19 ndF kommt es nur zu vereinzelten Geplänkel mit entfernten Nachbarn. Dabei werden Löwenschiffe gekapert, cruchanische Gesangskünstler eingetauscht oder die Vulkaninseln gegen feindliche Übergriffe verteidigt. Erainn selbst bleibt von Angriffen verschont dank der umsichtigen Politik des Dáils.

Trotzdem senkt sich ein bitterschwarzer Schatten über das Volk der Schlange herab, denn die Weisen Frauen erlangen schlimme Gewissheit darüber, dass das Ei der Schlange nicht auf der Alten Welt zu finden sei. Welchen Nutzen hat demnach die Anwesenheit auf dieser Welt, auf der man sich seit längerem nicht mehr heimisch fühlen konnte, schien sie doch von den Göttern verlassen und dem Chaos überlassen. Zwar wären die Coraniaid und das Volk der Schlange nicht machtlos gegenüber solchen Mächten, im Gegenteil – doch welchen Nutzen hätte es, eine Welt der Trostlosigkeit noch länger als Heimstatt zu erwählen, wo es doch bessere, schönere Welten gibt. Daher ist sich das Volk der Schlange nach intensiven Beratungen einig, der Alten Welt den Rücken zu kehren und nach Glass Domhan, der Grünen Welt, zu wandern.

 

20 nach der Finsternis

Es wird Abschied genommen von der Alten Welt! Und jeder vollzieht dies auf seine Art. Cuanscadan wird von der dortigen Bevölkerung bis auf die Grundmauern geschleift, kein Stein verbleibt auf dem andern, keine Blume wächst mehr dort, wo ehedem prächtige Gärten das Auge verwöhnten, kein Turm begrüßt mehr den Ankömmling und heißt ihn willkommen. Dun Cloigtheach, die mächtige Burg des Flaith na Cuanscadan, wird durch einen mächtigen Zauber aus ihren Grundfesten gerissen und vor der Inis Culiin in den Runan geschmettert. Die Fischer selbst versenken ihre unzähligen Boote wehklagend neben den aus den Fluten des Runan emporragenden Mauern der Burg – die Zufahrt zu den Ruinen von Cuanscadan wird damit für immer versiegelt bleiben.

Nicht anders sieht es in einigen anderen Städten Erainns aus, wo die zu allem entschlossene Bevölkerung sich endgültig von ihrer alten Heimat trennt und den noch immer lauernden Kreaturen der Finsternis nur Schutt und Asche hinterlässt. Dort, wo vormals prachtvolle Städte sich erhoben, künden jetzt Trümmer von einer großen Zeit, von einem Volk, das in seiner Blüte mit der Vergangenheit brach und einen Neuanfang in der Glass Domhan suchte.

Kaum verlässt das Volk der Schlange durch die Kraft der Weisen Frauen die Alte Welt, um an einem nicht von Menschen sichtbaren Orte ein neues Leben zu beginnen, da drängen auch bereits – besonders im Osten – die Kreaturen der Finsternis in die verlassenen Gebiete, reißen die letzten noch stehenden Mauern der trostlosen Städte und Dörfer ein und verwüsten, was noch an das Volk der Schlange zu erinnern vermag. Ein Hauch des Todes breitet sich über Erainn aus, doch vermag er keinen Erainner ins Verderben zu reißen.

 

21 nach der Finsternis

Über ein Missgeschick soll jedoch noch (aus GRÜNER Sicht) berichtet werden, bevor sich hier die Wege des Grünen Volkes der Schlange und des Grauen Volkes der Schlange trennen: Corrabheinn, Herrscher über ganz Cruchan [der Cuanscadaner schreibt Cruachan aus kindlichem Spaß gern falsch] und weniges darüber hinaus, weilte just im Augenblick der Versetzung in die Grüne Welt in Areinnall. Und obwohl er sich vehement gegen einen Auszug aus der Alten Welt aussprach, fand auch er sich in Glass Domhan wieder. Während sich aber der Dáil konsequent dafür aussprach, dass alle Erainner ausnahmslos in dieser neuen Welt zu leben haben, widersetzte sich der alte Haudegen auf seine bekannt rabiate Art und scharte etliche junge Heißsporne um sich, die er zu furchtlosen Taten aufrief.

Versprechungen, die locker über Corrabheinns Lippen flossen, verfehlten offenbar ihre Wirkung nicht. Doch die meisten Weisen Frauen verweigerten ihre Mithilfe zum magischen Übersetzen mit den Schlangenschiffen, die Corrabheinn und seine Mannen ausgerüstet und bestiegen hatten. Und von den folgenden Ereignissen gibt es unterschiedliche Versionen, von denen wir die abenteuerlichste weitergeben: Tollkühn, wie der Cruachaner nun einmal ist, pfiff er auf diese Hilfe und vertraute sich der Macht einiger weniger Weiser Frauen an, die ihr Bestes zelebrierten.

Der Zauber gelang – beinahe. Denn wohl fand sich die Flotte in der Alten Welt wieder, doch nicht an den Küsten Erainns, sondern weitweit im Süden, jenseits von Huanaca. Und kein Lüftchen regte sich, und die Ruder waren in der Eile vergessen worden. So warteten denn Corrabheinn und seine Grauen Schlangen Woche um Woche, während indes Erainn von Thuatha überrannt wurde, die in aufopferungsvollem Kampf die geschleiften Städte eroberten. Wohl dem, der solche Taten preist. Über das weitere Geschick des Grünen Volkes wird in späteren Schriften zu berichten sein!