Freunde gefunden in einer Zuflucht

Freunde gefunden in einer Zuflucht
Keldron

Wir segelten Richtung Wes von Dinas Calot in Tir Thuatha aus als alles begann. Wo wollten wir hin, fragst du? Sagen wir mal, unsere Handelsflotte von vier Schiffen war auf dem Weg einen neuen Kunden zu suchen, und wie die Götter es wollten fanden wir einen. Ich bin Kapitän Rovsan und erzähle meine Geschichte.
   Der Herr des Káprhyrd Ulfurkyrtar¹ sandte uns aus, um eine neue Káprstádur² zu gründen. Wir hatten eigentlich ein Ziel, aber wir kamen nie da an, dafür fanden wir was Altes und fast Vergessenes.
   Wir segelten einen sjoendag³ Wes aus Dinas Calot als wir einen Sturm aufkommen sahen. Er kam nicht von dem Endlosen Ozean aber von Ageniron. Die Ausläufer kamen aus Est und Mir dazu. Ich fahre zu See seit zwölf Sommern4 und hatte sowas nie gesehen. Ich gab Zeichen mit unseren Flaggen um die Abstände von unseren Schiffen zu verringern. Es war mir bewusst dass wir in dem Sturm einander nicht helfen könnten, wenn eine Katastrophe passierte, aber manchmal hilft auch nur die Sicht auf ein anderes Schiff. Eine Stond5 später war der Himmel schwarz und grau, Blitze zuckten hin und her und wir waren mitten in der Mutter alle Stürme.
   Stond um Stond kämpften wir gegen richtungswechselnden Wind und Wellen. Alle vier Schiffe waren angeschlagen und die Mannschaften wurden immer müder. Es war jetzt ein Kampf zwischen dem Sturm und dem eisernen Willen zu Überleben der Wali-Frauen und -Männer an Bord.
   »Kapitän! Ein Leuchtfeuer zu Backbord!«, rief der Ausguck am Bug. Hätte er sich nicht mit Seilen festgebunden, wäre er längst von Schiff gespült.
   Ich musste schnell nachdenken. War hier irgendwo ein Hafen mit einem Leuchtturm? Waren es Strandpiraten die uns ins Verderben locken wollten?
   Egal, ich machte eine Entscheidung.
   »Alle wieder an die Ruder! Steuer hart Backbord! Rettung oder Verderben, es ist egal! Kämpfen wir zum Licht! Vergesst nicht, wir sind die Wölfe der See und gehen nicht ohne Kampf runter!«
   Ich schaute übers Heck. Ich sah nur eines der drei andren Schiffe und hoffte sie sahen unseren Kurswechsel. Ich gab ein Stoßgebet ab für die anderen, aber jetzt musste ich mein Schiff retten.
   Ich nutzte jeden Trick den ich gelernt hatte, um die Mannschaft zu anfeuern. Der Kampf gegen den Sturm begann am Vormittag und kam langsam zu Ende bei der Dämmerung. Wir folgten einem grünen Leuchten in eine uns nicht bekannte Bucht. Hier wurde den Seegang ruhiger und der Wind war endlich konstant. Am Steuerbord kam eine Klippenwand in Sicht, die Ähnlichkeit hatte mit der Heimat in Waligoi. Hier hatte ich Erfahrung, wie man solche Gewässer segelt, und wir nahmen Fahrt auf in die Bucht hinein. Das ferne, grüne Leuchten erlosch. Wir gingen beim letzten Licht zu Anker und setzten Lichter am Bug und Heck. Mir war bewusst was für einer Gefahr ich uns aussetzte, so was zu tun in unbekannten Gewässern, aber ich hoffte, dass die anderen Schiffe aus unserem Verband uns so besser finden würden.
   Am Morgen kamen zwei der drei Schiffe an. Alle beschädigt von dem Sturm. Ich gab Befehl tiefer in die Bucht zu segeln. Steuerbord war nur ein ödes Hochland zu sehen und wir hofften tiefer drin einen Platz zu finden, um Reparaturen zu machen. Später fanden wir heraus: Wir segelten durch die »Bucht des Grünen Feuers« und das Hochland heißt Crobhinmór.
   Wir segelten weiter, als eine massive Festung auf einer Insel in Sicht kam. Sie schützte offenbar den Zugang zum Fjord und der Stadt dahinter. Und diese entdeckten wir bald darauf. Die Festung war eine Sammlung von drei hohen Türmen mit diversen Kleineren rund um zugebaut. Es war zu sehen, dass sie bemannt war und wir verlangsamten unsere Fahrt darauf zu. Es war uns klar, dass die Steinschleudern uns mühelos versenken könnten. Wir hielten an, und nachdem ein Beiboot zu uns kam, erklärten wir unser Begehr. Es war nicht einfach, da die Besatzung des Beiboots eine veraltete Form der Handelssprache sprach.
   Wir erfuhren, vor uns lag die Stadt Almhuin, und wir durften da anlegen. Es verursachte bei vielen von uns Kopfschütteln, da wir von dieser Stadt aus alte Erzählungen gehört hatten, aber was vor uns lag, war völlig anders. Kaimauern mit Verteidigungstürmen kamen in Sicht vor dem Hafen, aber es war auch klar, dass sie bessere Tage gesehen hatten. Die Hafenanlagen, die Liegeplätze und die Stadt genauso. Als wir heran ruderten, sahen wir eine Delegation mit Fahnen winken, um uns hin zu lenken auf freie Liegeplätze. Es überraschte uns zu sehen, dass die besten Plätze mit unterschiedlichen Fischerbooten belegt waren. Nein, dies war definitiv nicht das, was wir von der legendären Hafenstadt Almhuin erwartet hatten.
   »Ich bin Adair, Kaufmann aus Almhuin, der Erste der Kaufleute Almhuins, willkommen.« Der Mann trug einen blauen Überwurf mit goldener Umrandung und Kapuze. Das Stück war klar und deutlich teuer gewesen, aber sichtlich nicht üblich hier. Ich sagte nichts dazu, denn ich sah aus wie ein Seemann nach langer Fahrt und war glücklich so begrüßt zu werden. Wenn ich ehrlich bin, sahen wir mehr aus wie Schiffbrüchige als eine Mannschaft. Die Augen von Adair schweiften über unsere Schiffe und die Ladung. Seine Augen leuchteten leicht auf, und er lud alle drei Kapitäne zum Essen in den Ard-Teach, ein Hohes Haus, um über Geschäfte zu reden. Wir stimmten zu und er versprach uns einen Führer zu schicken.
   Als die Begrüßungstruppe weg war, gingen wir an die Arbeit. Reparaturgruppen wurden organisiert, und der Quartiermeister begann mit der Suche nach Holz, Lebensmitteln für die Weiterfahrt und natürlich Quartieren für die Nacht. Danach begannen ich und die andern Kapitäne, die Stadt genauer anzusehen. Die Bauart war uns völlig fremd. Leichte und schlanke Türme erheben sich überall in der Stadt und wir fanden es schwer zu glauben, dass sie einem Sturm standhalten könnten. Alles war bedeckt mit feinster Steinmetzarbeit, es war offensichtlich, das vieles war seit Sommern nicht mehr richtig gepflegt worden, aber trotzdem. Was uns am meisten wunderte war wie leer der Stadt war. Es waren nicht nur einzelne Gebäude, manche Straßen waren sogar fast unbewohnt.    Langsam verstanden wir warum der Erste Händler der Stadt uns so freudig begrüßt hatte.
   Am Abend holte unser Stadtführer drei saubere und gut gekleidete Wali Kapitäne ab. Es war offensichtlich, dass der junge Mann uns durch belebtere Stadtteile führte. Bei der Ankunft in dem Hohen Haus sah ich auch, dass andere versuchten, die Lage der Stadt zu verschleiern. Dies war nicht meine erste Handelsfahrt, es war aber meine erste als Anführer. Der Weg zum Saal war sauber, aber die Ecken waren sehr rund ausgewischt. Beim Essen servieren waren die meisten zu steif, als ob sie nicht sicher waren, was sie genau tun sollten.
   Das Essen ging seinen gewöhnlichen Lauf. Wir diskutierten übers Wetter, Wein und andere unwichtige Dinge. Ja länger wir sprachen, verstanden wir Adair immer besser als wir verschiedene Wörter der Handelssprache verglichen. Als wir angefangen wirklich zu handeln, wegen Abgaben, Gebühren zum Anlegen und weiteren Themen, wurde Adair immer wieder von einer Botin was ins Ohr geflüstert. Die Botin kam immer wieder aus einer dunklen Ecke der Halle, wo irgendjemand alles beobachtete. Ich meinte zu sehen, dass es Adair sehr störte, aber er spielte alles runter, als ob nichts wäre.
   Es kam aber doch zum Eklat. Die Verhandlungen war mindestens eine stond im Gange und ich und Adair waren in unserem Element. Plötzlich drangen Stiefelschritte aus der dunklen Ecke bis ran an den Tisch. Eine hochgewachsene Gestalt im Umhang kam in unser Sichtfeld. Es war kaum was zu sehen von ihm, oder ihr, außer der Farbe der Haut am Kinn, es schimmerte im Licht wie ein sehr helles Grün. Der Beobachter sprach Adair in einer musikalischen Sprache an, es hörte sich an, als würden zwei Stimmen gleichzeitig reden dann ging er wieder.
   Adair fasste sich schnell und sagte uns; »Das war Erenagh Fergal von den Coraniaid. Er wurde gerade zum Stadtherrn ernannt, und er wollte sehen, mit wem er in Zukunft zu tun haben wird. Lass uns jetzt weiter machen. Ich bin sicher, wir werden uns einig, da unser Stadtherr eure Bitte gut findet.«
   Der Abend war lang und von Erfolg gekrönt. Jetzt sitze ich hier und lasse meinen Schreiber diesen Bericht fertigmachen. Es gibt noch vieles zu lernen, über diese Stadt und dieses Land, aber wir sind willkommen. Kaum zu glauben, dass ich, Kapitän Murson, auf der Suche einer Zuflucht, neue Handelspartner fand.

28.08.2022 – Keldron

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1: Handelshaus Lupus Mangone

2: Handelsplatz

3: Woche

4: Jahren

5: Stunde